Mittwoch, 23. Juli 2008

Der Pechvogel

"Nein, nein, ich habe nie in der Familie Glück ge­habt, nie..." Auf einem Baumstamm an der Landstra­ße sitzend sprach der alte Vagabund ruhig, ohne Bitterkeit, indem er sich von Zeit zu Zeit unter­brach, um eine aus dem Reisebündel hervorgezogene Brotrinde zu zermalmen.
"Nein", fuhr er fort, "man kann nicht sagen, daß wir Glückspilze wären, aber wir sind sozusagen am Glücke vorbeigestreift. Die Alten haben den Vogel in der Hand gehabt und haben ihn wieder fliegen lassen, aus reiner Dummheit.
Der ältere Bruder meines Urgroßvaters hatte unter Napoleon I. in der Garde gedient. Er war ein Toll­kopf. Nach der Katastrophe von St. Helena ging dieser Bruder mit vielen anderen alten Soldaten, denen es in Frankreich nicht mehr gefiel, außer Landes.
Er begab sich nach einer Insel an der afrikanischen Küste, wo man Kaffee pflanzt und anderes Gemüse zieht. Viele Jahre vergingen, ohne daß man etwas von ihm hörte. Der eine sagte, er sei tot, der an­dere, er wäre reich geworden.
Da kommt eines Tages ein Brief vom Onkel an. Es war 1847 - der Brief war nicht lang. In einigen fast unleserlichen Zeilen teilte der Onkel mit, daß er sich jahrelang geplagt habe, um schließlich nichts zu erwerben. Ein böses Fieber habe ihn ergriffen, und er sei drauf und dran, die Waffen zu strecken. Auf eine Erbschaft möge keiner hoffen, da er nicht einmal so viel hinterlasse, um das Begräbnis zu bestreiten.
Dann fügte er hinzu: 'Bewahrt diesen Brief, hebt ihn gut auf. Der Schwarze, der mich versorgt, und der hier als Zauberer angesehen wird, beteuert mir, daß dieses Papier für Euch eines Tages glück­bringend sein wird. Das ist es, was ich Euch wün­sche, bevor mein Ende kommt. Euer armer, flügel­lahmer Onkel.
Ach ja, der Zauberer hatte die Wahrheit gesagt. Ich habe vor einiger Zeit von einem Mann, der Briefmarken sammelt gehört, wie heißen die Leute doch, Philu..., Phila..., Philatelisten! richtig, ich habe von einem Philatelisten gehört, daß von den drei oder vier Marken, die zur Frankatur des Brie­fes gedient haben, eine die 2 Penny-Marke Mauri­tius 1847, die sogenannte "Blaue Mauritius' war und EUR 500.000,— wert ist."
"Sie haben diesen kostbaren Brief also nicht aufge­hoben?" - "Doch, doch. Er ist sorgfältig aufgehoben worden, vom Großvater vererbt auf den Vater, den Sohn, er ist sogar noch da, ganz unten liegt er in meiner Tasche. Aber..." "Aber?" "Man hat den Umschlag fortgeworfen."

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